Thursday, October 29, 2009

Mal wieder Denken in der Silber Bucht

„[...]…and let birds fly above the earth across the face of the firmament of the heavens.“ (The First Book of Moses, Chapter 1, Genesis 1:20)

[Abriss zum Geburtstag im fernen Land – Das Ende des Teenager-Daseins..^^:

Zwar war es ein ganz normaler Arbeitstag für mich, aber schon am Morgen lag ein selbst gemaltes Bild meines 5-jährigen Gastsohnes auf dem Frühstückstisch, welches groß und breit in Kinderschrift CAROLiN auf sich trug. In der Karte von meinen Gasteltern steckte eine Zehnerkarte für den Zug in die Stadt. Eine nicht wahnsinnig persönliche, aber doch nicht zu undurchdachte, liebe Geste. Zwar musste ich kurz schlucken, als ich dann allein beim Frühstück, die Urlaubsfotos von Muddi aus dem Umschlag anschaute, von denen jedes einen typischen Mutti-Vers auf der Rückseite bereit hielt, aber am Nachmittag wurde alle wehmütige Stimmung wett gemacht, als ich DIE Szene meiner Kindheit wieder erlebt habe – nur jetzt erwachsen. Ich sehe noch das Kindervideo vor mir, auf dem mir Mutti demonstriert, was man mit Pusteblumen macht. Wie ein Depp stand ich da, als kleine einjährige Caro und habe erfolglos versucht, kräftig zu pusten. Heute war es Allison, die ihre Schnute verzog und sich bemühte, mich nachzuahmen. So flogen die plüschigen Teilchen vor der Abendsonne durch die 24° warme Luft und alles, was mich erfüllte, war ein Gefühl der Zufriedenheit und Überzeugung, genau richtig hier an diesem Ort zu sein und zusammen mit drei kleinen Kindern täglich diese große und komplizierte Welt ein Stück mehr kennen zu lernen. Trotz gerade mal zwei Monaten, in denen wir uns kennen, wusste die „Gäng“ schon sehr gut, dass sie mit einer Hello Kitty Kuscheldecke goldrichtig bei mir lagen… plus High School Musical Karte, die beim Öffnen Musik abspielt. Halleluja! Ein Abendessen im Diner um die Ecke beim Burger und Cola in illustrer Runde schloss den Tag mit viel Gelächter und Frohsinn ab. Außerdem war es die absolut richtige Entscheidung, meine Schlafrichtung zu ändern, denn jetzt wo ich beim Einschlafen aus dem Fenster sehen kann, hab ich trotz dunstigem, sternenlosen Vorstadthimmels die perfekte Sternschnuppe gesehen, um noch einen Wunsch abzuschicken.]

Freitag, 23.10.09, 23:19 Silver Bay, NY

Regen prasselt auf die Erde. Es klingt, als wenn Wasser durch die Wände fließt. Ca. 4 Stunden nördlich von Scarsdale – im absoluten Nirgendwo – beginne ich ein Wochenend-College-Seminar, ganz nach dem Motto „Fun, Fun, Fun“… so hieß es zumindest. Der erste Kurs morgen heißt „Creative Story Telling“.

Eine Fahrt über einen verregneten Highway liegt hinter uns. Speed Limit: 65 Mph. Wir fahren Strich 80. Wenn schon, denn schon. Nachdem mir zwei Stunden mein linker Fuß fast abgefault ist vom Nichtstun neben den Pedalen, kamen wir dann überraschend doch an einem zivilisierten Ort an. Ich hatte die Hoffnung fast schon aufgegeben, denn die Strecke nach der Highway Ausfahrt schien so abgeschieden, dass aus den Twilightwäldern rechts und links jeden Moment ein Bär hätte rausstiefeln können. Handys funktionieren hier nicht… außer man hält seine Hand an den Fahnenmast auf dem Campus, wie der grauhaarige Mike riet. Nach Inspektion unseres doch recht vornehmen Zimmers, – Luxushütte im Vergleich zur Au Pair Schule – gings noch schnell zum Willkommensschnack mit Mike und Anhang und nun sitz ich auf meinem Bett, lese Genesis der englischen Bibel, die wohl in jedem Zimmer zum Inventar gehört, und leises Tastengeratter dringt vom Laptop meiner Zimmergenossin Lisa über den schönsten Tinkerbell-Trick-or-Treat-Korb der Welt an mein Ohr. Der Kampf um die drei College-Credits kann also beginnen, mit Vorfreude auf die morgige Disco mit Kostümierung ganz im Halloweenstil.

Samstag, 23:53

Jei und jippey! Ich kann jetzt „bitch“ und „Scheiße“ in Amerikanischer Zeichensprache sagen. Der längste Kurs heute, „American Poetry“, hat mein Gehirn geweckt. Whitman, Dickinson & Co. – Dichter und Denker, die eine Art modernen Amerikanischen Schreibstil geprägt haben. Endlich mal wieder ernsthaft DENKEN. Ein Gefühl von Schule – und komischerweise außerordentlich angenehm. In unserer freien Zeit heute haben wir ein wenig das Gelände erkundet. Im Nieselregen trotteten wir am Ufer des Lake George entlang, in gelb und rot getaucht erschienen mir die Laubwälder auf den Bergen gegenüber als das friedlichste Bild, das ich seit Wochen gesehen habe. Außer Stille und Menschenleere erfüllten leichte Gedankenblasen die feuchte Luft um uns und alles war so wohltuend – spätestens der Gang durchs „Labyrinth“. Auf kleinster Fläche trugen unsere Füße uns den Weg entlang zur „Inneren Mitte“. Und ich lief und lief… Zu zweit auf diesem Feld - jeder ging seinen eigenen Träumereien nach - begegneten wir uns ab und zu, liefen aneinander vorbei, drifteten wieder auseinander. Es galt, nicht vom Weg abzukommen, um Pfützen balancierte ich über den schmalen Steinrand, um dann weiter auf dem weichen, von nassen Nadeln bedeckten Boden zu gehen, in der Hoffnung, nicht einzusinken oder mich hinzupacken. Alles Verbildlichungen unseres noch so jungen Lebens. Und ich lief und lief…

Bei der abendlichen Kostümparty hieß es Arme hoch – tanzen! Ne fiese Poison Fairy wollt ich sein. „Du siehst aus wie eine griechische Göttin.“ ...ja gut. Lisas Flügel tanzten durch die Luft und unsere Füße gaben alles, was noch in ihnen steckte.

Morgen gibt es noch mal zwei Kurse und dann düsen fünf Mädchen in der fetten Amikarre über den Highway zurück ins ferne Scarsdale. Ein Wochenende reich an neuen Bildern neigt sich dem Ende entgegen.

Thursday, October 15, 2009

Sparsam geschichtet

Geschichte 1

Normalerweise schleppe ich nur mein Baby mit zum Busstop von Hanson und Charlotte bleibt die fünf Minuten im Haus und guckt fern. Nun hat aber das Baby gepennt und Charlotte wollte mit. Also steh ich mit dem 3jährigen Mädchen an der Hand am Straßenrand, der Bus kommt, die Tür geht auf und die dicke schwarze Busfahrerin, die sich sonst immer am Baby ergötzt, glotzt mich unglaublich an, halt drei Finger in die Luft und fragt „Oooh, you have 3?!“ … ähm jo. Gibt auch Muttis, die mir müde erzählen, wie geschafft sie doch von ihrem einen Kind schon sind. ..verstehe.

Geschichte 2

Das erste mal seit ich hier bin, habe ich vergangene Woche mit Einheimischen in meinem Alter geredet. Endlich gab es mal das amerikanische lose Mundwerk hautnah zu erleben. Natürlich haben wir uns über Schimpfwörter unterhalten, wie das halt immer so ist, wenn man verschiedene Sprachen spricht. Die wichtigsten Flüche sollen hier also „fuck“, „piss“ und „shit“ sein, „motherfucker“ mal beiseite gelassen. Als deutsches Fluchwort Nummer 1 hab ich dann mal „Scheiße“ angegeben. Stimmt doch, oder?

Geschichte 3

An einem kühlen Vormittag dachte ich mir, geh ich mit den beiden Mädels mal in den Garten, ne Runde schaukeln. Die Sonne schien, die Mittagsmüdigkeit holte uns ein, gefördert durch die gleichmäßige Bewegung der Schaukeln. Da saßen also drei Mädchen verschiedensten Alters nebeneinander auf ihren Schaukeln und die einzige Äußerung, die Charlotte für 10 Minuten über die Lippen brachte (was äußerst ungewöhnlich für diesen Quälgeist ist), war, „Oouh yeah“.

Geschichte 4

Sonntag war Oktoberfest in der Nachbarstadt White Plains. Stück Straße abgesperrt. Zelt aufgebaut. Rummsmucke angemacht. Bier ausgeschenkt. Perfekt. Und Lisa, Cati und ich wären nicht Lisa, Cati und ich, wenn wir aus der Party nicht unsere eigene Party gemacht hätten. Drum haben wir gefeiert, zwischen den ziemlich abgefüllten Amis, die so was anscheinend nicht gewöhnt sind und haben lautstark der „Band“ applaudiert, deren Mitglieder aussahen, als wären sie gerade aus ihren Gräbern gestiegen – monoton, leblos drein schauende Oppas. Jedenfalls war es ein Fest. Zwei Bier und ich war glücklich. Zufrieden und irgendwie blau.

Geschichte 5

Ich fahre mit dem Van die Straße entlang, sehe schon von weitem den ziemlich fetten Amipolizisten in viel zu enger Warnweste. Dieser stand am Straßenrand und lief jedes Mal auf die Straße, um ein Stoppschild hoch zu halten, wenn jemand zu Fuß die Straße überqueren wollte. Selbst an Baustellen steht immer ein Bauarbeiter um ein Schild festzuhalten auf dem „Slow“ drauf steht. Das nenne ich doch mal Arbeitsplatzverschwendung.

Geschichte 6

Hanson: „Why do you have a band-aid on your finger?“

Ich: “I cut it with paper.”

Hanson: “Oh – that’s a papercut!”

(…dumm sterben werd ich bei diesen Kinder nicht)

Charlotte: „You have a Hello Kitty band-aid. I have those, too.”

(gut, dass ich ihr nicht gesagt habe, dass es eins von ihren war – da hätte die Hütte gebrannt. Die Kinder hier lernen nämlich nicht zu teilen. Zumindest nicht die dreijährigen.)

Thursday, October 08, 2009

Per Pedes durch den "Pimmel"

Samstag, 03.10.09, 10:30

Ein Schwarm Vögel zieht seine Kreise vor der wolkenverhangenen Sonne, wenn ich aus dem Fenster des Zuges zur Grand Central Station gen Himmel schaue. Es ist Oktober, es ist verhältnismäßig ziemlich warm und fast zwei Monate meines Auslandsaufenthaltes liegen hinter mir. Die Kopfhörer drücken mir Elektronisches von Stephan Bodzin auf die Ohren. Ein Stück Zuhause muss jeden Tag sein. Gestern Abend war es ein kühles Becks. Unbezahlbar, der erste Schluck. Vorbei an den typischen Backsteinblocks der Bronx, steuere ich in diesem Moment direkt einer Entdeckungstour durch den südlichen Teil Manhattans mit meinem Tour-Guide Lisa entgegen. Der Regen von letzter Nacht hängt zwar noch in meinem Kopf und mein träges Hirn arbeitet in Zeitlupe, aber das muss ja nichts heißen.

„…these streets will make you feel brand new, big lights will inspire you! ...now you’re in New York” (Jay-Z/Alicia Keys)

10:53 pm

Gleicher Ort bei Nacht. Der Zug fährt mich durch die Dunkelheit wieder “nach Hause”. Ich höre Radioheads „Blackstar“, von denen ich in einem abgeranzten Plattenladen in Soho eine Ansammlung aller, ja wirklich aller ihrer Alben auf Vinyl bewundern durfte. Irgendeine Schrummelmucke lief in dem Kabuff und die Verkäuferin hat nicht mal gegrüßt, aber trotzdem war es ein angenehm cooler Start für den Tag in der Stadt. Dumm nur, dass mir fünf Minuten später auffiel, dass der Kameraakku alle ist. Keine Fotos – schlechte Laune. Zumindest mal hab ich mich ziemlich geärgert. Nach Soho, führte mich Lisa dann nach Little Italy, Chinatown und East Village. Ebenfalls das ganze Inventar hätte ich im CBGB-Store kaufen wollen („CBGB“= Country, Blue Grass and Blues), einem Laden, der früher ein Club war, in dem Bands wie die Ramones, Blondie, The Police und so viele andere spielten. Signierte Schwarzweißfotografien aus vergangenen Jahrzehnten von Künstlern wie Angus Young oder David Bowie hingen an den Wänden, sowie E-Gitarren oder aus damaligen Konzertnächten überdauerte Stickerrückstände. Leider sind die Klamotten des Designers, der den Laden aufgekauft hat, nur für Männer. Heute war einer der wenigen Momente, in denen ich hätte das Geschlecht wechseln wollen. ^^ Chinatown, die größte Ansammlung von Chinesen außerhalb ihres eigenen Landes, fühlte sich wie angekündigt nach einer ganz eigenen, anderen Stadt an. Ähnlich wie Neukölln in Berlin. Lisa füllte die Tour mit ihrem anlässlich des heutigen Tages angeeigneten Hintergrundwissen und man lese und staune: ca. 55% der Chinatown-Bevölkerung spricht kein Englisch. Unter einem Schirm mit Leopardenmuster liefen wir gemeinsam durch strömenden Regen der City und patschten wie Kleinkinder mit unseren Gummistiefeln durch Pfützen. Merke: niemals bei Regenwetter ohne Gummistiefel in die Stadt gehen, denn die Pfützen auf Straßen und Fußgängerwegen können ungelogen knöcheltief sein. Ecke 1. Avenue / 11. Straße glitzerten die Regentropfen, die vom Himmel fielen im Sonnenlicht. Absolut synchron setzten wir beide ein ziemlich zufriedenes Lächeln auf und wären vor lauter Träumerei beinahe mitten auf der Straße stehen geblieben. Nach einem Kinobesuch im Village, gab’s zum Abschluss eine Fahrt auf der Fähre nach Staten Island. In der feuchtwarmen Abendbrise lehnten wir über dem Geländer und ließen die Millionen von Lichter auf uns wirken und stellten mal wieder fest, dass alles noch viel schöner wäre und mehr Sinn ergeben würde, wenn es noch ein paar mehr Menschen – die weit weg wohnen - miterleben würden.

Mittwoch, 07.10.09

Zum Sonntag sag ich nur Folgendes:

Catarina: „Caro, was hast du eigentlich für eine Augenfarbe?“

Caro: „..ähm.. pff.. hm naja….“

Lisa R.: „Na so blau und grün mit so durchfallbraun in der Mitte“

Unser Sonntagsplan:

Rein in den Zug, Karte von Manhatten (oder auch gern „Pimmel“ genannt) gezückt, Spontanität zeigen.

Ein Markt die Lexington Avenue rauf mit dem leckersten Frucht-Smoothie, den ich jemals probiert habe, die 1. Avenue wieder runter (von der ca. 50. Straße bis weit unter die 1.), auf der wir in einen übern kultigen Plattenladen von einem übern alten Platten-Opi gestolpert sind (Foto), die Entdeckung einer ziemlich runter gekommenen Psychoklinik in einer Seitenstraße, der Ekelteil von Chinatown mit einer extrem gruseligen Dreifach-Begegnung mit einem Penner der üblen Sorte, der von Lisa und Cati auf dem Nachhauseweg liebevoll „Erdmännchen“ getauft wurde, weil sein unförmiges Gesicht mit Erde und Dreck bedeckt zu sein schien, als Highlight zu Fuß auf die Manhattan Bridge.

Lustigste Unterhaltung des Tages heute (Mittwoch):

„Charlotte, what’s wrong?“

„Hanson hurt my feelings!!!“

„Charlotte, people can not hurt someone’s feelings by taking away a ball when you play soccer.“