Thursday, April 29, 2010

Barbie mit Gehirngrütze

16.04.2010, 19:24 Uhr

Clueso „So sehr dabei“. Der Zug rattert mal wieder in die Stadt. Freitagabend und ich bin absolut zerstreut. Wie so oft bin ich zu spät, halb gerannt und mit meinen Gedanken irgendwo und doch nirgendwo. „Mein Gott, wie einfach das ist, im Kopf woanders zu sein“. Mein Fotoalbum liegt halb verteilt im Zimmer und muss aktualisiert werden, ähnlich wie mein Blog und Fotos im Internet. Ich habe einfach diesen Drang, alles aus diesem Jahr festzuhalten und einzurahmen, denn eine meiner chronischen Krankheiten ist jene Angst, Erinnerungen zu verlieren und Dinge zu vergessen. Reisepläne spuken mir im Kopf herum und die Finanzen, die diese ermöglichen müssen. Und die größte Sorge von allen – was wird wenn ich wieder zurück bin und an den Punkt gelange, tatsächlich mal erwachsen werden zu müssen? Studium, Unis, Hochschulen, Praktika… ergibt alles wahnsinnigen Kopfsalat und Gehirngrütze. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie arg ich mich auf zu Hause freue, trotz der Befürchtung, den absoluten Kulturschock zu erleben und mich in meinem alten Umfeld nicht mehr wieder finden zu können bzw. wohl zu fühlen. Dass quasi das Zuhause, auf das ich mich so gefreut hab, nichts mehr von dem ist, was es für mich einmal war oder wie ich es hier immer vor meinem geistigen Auge hatte. Ich kann auch kaum sagen, wie sehr ich alles vermisse. Und wenn es nur die unschuldige Minute ist, in der ich nachts um drei auf der Straße eine geraucht habe und mir ein ulkiger Igel dabei zugeschaut hat. Oder auf nem atzigen Dorffest ein olles Bier zu trinken und nen stumpfsinnigen Schnack mit einem ewig nicht gesehenen Grundschulfreund zu haben. Oder die Freiheit, sich zu egal welcher Tages- oder Nachtzeit ins Auto zu setzen und loszufahren, mit lauter Musik auf irgendeiner Autobahn über Wiesen und Felder. Oder ganz simpel mit Mutti bei Kaffee und Kuchen. Oder mit dem Fahrrad durch die nächtliche Sommerluft zu fliegen. Oder mit Tee, Kippe und Grillengezirpe auf Luntes Terrasse. Oder Omas Ente. Oder ranzige Hausparties mit Katermorgen danach. Was auch immer es ist… es fehlt mir.

Und das alles heißt ja nicht, dass ich dieses Leben hier ablehne und nicht zu schätzen weiß. Es macht Spaß und ist unfassbar spannend und gleichzeitig lehrreich. Ein unglaublicher Schwall an Lebenserfahrung, den ich nicht verpassen wollen würde. Man kann nur eben nicht alles zugleich haben. Und so langsam kommt wirklich das Gefühl auf, dass es Zeit wird…

Hallo Realität, Grand Central in Sicht, New York City wartet. Ich schüttel nochmal eben alles von mir ab und steig aus.

17.04.2010, 19:50

- Auf den Tag genau 8 Monate USA –

Eines Tages wartete ich an der 20 Millionen Dollar Uhr des Grand Central auf Claudi und Freundinnen. Da kam ein Junge namens Kenny auf mich zu und schmierte mir Honig um den Mund, um damit auch Erfolg zu haben und mir einen Deal für einen Besuch beim Friseur bzw. im Beautysalon anzudrehen. Am heutigen Tage, hab ich dieses Angebot dann mal wahrgenommen und bin zum Salon Alfangi auf der 5th Avenue gegangen. Ein kleines unscheinbares Türchen zu einem Treppenhaus, dessen Fahrstuhl mich im dritten Stock direkt in den Bonzen- Schönheits-Schuppen hinaus warf. Libia verarztete dann mich und meine Haare, schwatzte mir Strähnchen für (zusätzliche!!!) 125 $ auf und begann, Hand anzulegen. Schockiert hielt sie eine Strähne hoch und zeigte sie ihrer Kollegin. Und was fiel der Schnalle ein?! „Oh my goooood!“ Meine Haarwurzeln bzw. der Ansatz wären ja sooooo schlimm – Katastrophe! …Also bitte! Tut mir Leid, nach fast einem Jahr ohne Friseurbesuch und drei krampfhaften Do-it-yourself-Amateur-Färbe-Versuchen dürfte mein Haar ein bisschen vernachlässigt aussehen. Ist ja logisch, dass dies nicht dem 5th-Avenue-Fashion-Niveau gerecht wird. Aber kommt mal klar, ihr „Bitches“! Da kommen Weiber reinstolziert, die aussehen, als kämen sie gerade frisch vom Stylisten und lassen sich trotzdem komplett überholen. Fast vier Stunden habe ich da drin verbracht und hatte schon allein nach einer halben ne Überdosis Schönheitswahn im Gehirn. Da wird man ja beballert. Die legen dir die Gossip-Klatsch-Magazine auf den Schoß, um die Abmagerung des Gehirns zu beschleunigen. Nichts hatte ich allerdings gegen die Tötung grauer Zellen mit Rotwein für umme einzuwenden.

Da sag ich doch nicht nein…

P.S.: Lisa kommentierte das Ergebnis übrigens mit „voll die Barbiefrisur!“. Danke. Herzlichst.

Tuesday, April 13, 2010

Komm auf's Dach

11. April 2010, 22:28 Uhr

This beautiful city seems empty.

All the people in the world and you can still feel lonely

What’s the point of having it all, without the person[s] you love?

Sometimes you just need to start again, in order to fly.”

(Alicia Keys)

Gestern also sollte das erste Mal sein, dass ich eine Veranstaltung besuche, für die ein Promoter bei Mädchen – am liebsten jungen Au Pairs – wirbt, damit diese Party gut besucht ist und wohlhabende Herren dazu verleitet werden, den ein oder anderen Drink zu spendieren, damit die Kassen etwas klingeln. Entschuldigung, aber ich wollte das Kind ja nun gleich mal beim Namen nennen.

Mit dem richtigen Zauberwort haben wir dann kurz vor Mitternacht die Warteschlange unten an der Tür gekonnt umgangen, mit dem richtigen Ausweis in der Hand wurde der Weg zum Fahrstuhl dann auch frei gemacht und als sich die Tür des Lifts auf dem Dachgeschoss vor uns drei Mädchen öffnete, erwartete uns eine Lokalität, du gut und gern als „fancy“ bezeichnet werden dürfte. Gedämpftes Licht, eine mit teuren Spirituosen befüllte Bar, aufgetakelte Mädchen in Kleidchen und Stöckelschuhen, Typen in feinen Hemdchen, deren aktuelle „Gesprächspartnerinnen“ teure Cocktails in den Händen halten und die zur Zeit angesagtesten Hits, die aus den Boxen dröhnen. Lage gecheckt, Raucherinsel ausfindig gemacht, die ersten Typen, die ganz unbefangen ein Gespräch ins Laufen bringen wollen und die Rooftop-Party im Hotel Empire an der Upper Westside, 63. Straße & Broadway, nebenbei bemerkt direkt benachbart dem Lincoln Center, in welchem die Juilliard School ihren Sitz hat, konnte beginnen.

So vergingen die Stunden mit viel Tanz, dem ein oder anderen Bier (was noch erschwingliche 8$ kostete), ein paar lustige Bekanntschaften, die das zuvor genannte zu einem eher kleineren Problem werden ließen (dank der charmant skrupellosen Anja) und wir gelangen zur Erkenntnis, das New Yorker Nachtleben mal wieder ein Stück weiter erkundet zu haben. Eines muss man den Menschen hier wirklich zu Gute halten. Ihre Offenheit und ihr Interesse an anderen Ländern und Kulturen. Zwar hat die Mehrheit von ihnen mehr oder weniger klare Absichten, die natürlich nicht erfüllt werden, aber wenn dabei einfältige Stereotypen aus dem Weg geräumt werden können und dich irgendein gebrochenes deutsches Wort zum Schmunzeln bringt, war der Schnack irgendwie „bereichernd“. Als kurz vor vier die Lichter angingen, zogen wir mit einem Engel von dannen.

(Zwischenstory: Anja: „Der da ist heiß.“ Caro: „Aber meinst nicht, dass der schwul ist? Guck mal, wie der tanzt.“ Anja: „Ach Quatsch, der ist voll heiß.“ Caro: „Ich find’s raus“ Anja verschwindet. Caro geht zu Typ. Caro: „Entschuldige, aber magst du Mädchen oder Jungs?“ Und da er sich als „straight“ bezeichnet hat, nahm das Schicksal seinen Lauf für Anja)

Halb Pole, halb Bolivianer, lebend in Queens, fuhren wir nach Partyende mit diesem Menschen namens Angel in seinem vorm Hotel geparkten alten Mercedes zu McDonalds am Grand Central (wie man das am Ende von durchzechten Nächten nun mal so macht) und vertrieben uns mit interessanten Gesprächen und Amüsement über seinen hoffnungslos abgefüllten, spuckenden Freund die Zeit bis der Zug Anja und mir im Morgengrauen den weiten Weg ins Bett eröffnete.

Und in diesem Moment fällt mir, wie so oft am heutigen Tage, die eine ruhige Minute ein (die ich auf jeder Party zwischen drei und vier durchlebe), in der ich meine Füße ausruhen wollte, mich in die Sitzecke vor der riesigen Fensterfront chillte, den niemals stoppenden Taxifluss den Broadway hinunter rauschen sah, den Blick über die Dächer von New York schweifen ließ und mir im Geiste Alicia Keys’ hauchige Worte erschienen und mich fragten, ob es dies hier ist; ob es das ist, was ich will; ob dies nun ein Leben ist, wie man es sich vorstellt und immer wünscht … oder ob da nicht doch irgendetwas fehlt…

Thursday, April 08, 2010

Licht aus

15. März 2010, 19:34 Uhr

Das Haus ist dunkel und kalt. Draußen regnet es seit gefühlten zehn Jahren und hier drinnen erleuchten nur ein paar Kerzen die Küche bzw. mein Blatt. Sieben Monate sind rum, das Mädchen mit den roten Haaren ist weg und hierließ mir leckeres Pumpernickelbrot, welches ich in diesem Moment vernichte. Die dritte Nacht ohne Strom steht ins Haus, meine Gastfamilie ist bei Nachbarn, aber ich übernachte heut lieber bei Kerstin, denn ein drittes Mal halb eingefroren aufwachen musst nicht sein. Ein Sturm wütete und unzählige Bäume fielen auf Häuser und Stromleitungen. Dementsprechend gleicht unser Leben jetzt nach Gastvaters Worten „Camping out in the woods“.

  1. Warum haben die Hinterweltler es noch nicht geschafft, die Stromleitungen dieses Landes unter die Erde zu verfrachten?
  2. Wie hält es der Durchschnittsamerikaner derzeit aus? .. so ganz ohne Fernsehen und Radio und Mikrowelle und so…

Ich friere zwar ziemlich, aber das nehme ich für die Ruhe in Kauf. Dass die Reizüberflutung für kurze Zeit eine Pause einlegt ist mir mehr als recht und alle meine Sinne sagen Danke für die Standby-Erlaubnis. :)

Ich puste mal die Kerzen aus und fahr zum warmen Starbucks…

So ist das wohl im Leben – Leute kommen, Leute gehen, Lichter entzünden und erlischen, mal kommt alles auf einmal, manchmal ist es einfach nur still.

„The show must go on…“