Wednesday, January 06, 2010

Die kalte Stadt der roten Bärte

„…Und sie träumt von Chicago
Irgendwo, wo sie keiner kennt…“

28.12.09, 15:53, Manhattan, New York City

Die Bank des Riverside Parks am Ufer zum Hudson River ist ganz meins. Die Sonne zu meiner Linken sinkt langsam aber sicher, um gleich hinter ein paar Wolken am Horizont zu verschwinden. Ein paar Möven ziehen rhythmisch zu Fort Minor ihre Kreise über dem Wasser. „Where’d you go? …Seems like it’s been forever that you’ve been gone…” Die eine oder andere Upper Westside Joggerin bahnt sich ihren Weg durch den Park. Ein Montag allein in der Stadt. Kaum zu glauben, dass eigentlich tiefster Winter sein soll, ich aber bei einigermaßen sonnigen 38°F hier so chillen kann. Dummerweise hat mein Kameraakku den Geist aufgegeben. Ein Fluch, den auch der Autor meines Insider-Stadtführers zu gut kennt und lustigerweise ist es ihm auch genau in diesem Stadtviertel so passiert… (an dieser Stelle hat dann auch mein Stift versagt. Ein Traum.) Ach und wie sollte es anders kommen, kaum hatte ich den Central Park betreten, gab auch mein Player den letzten Mucks von sich, da die Batterie keine Lust mehr hatte. So dienten meine Kopfhörer auf dem Weg durch das früh abendliche Harlem nur noch als Ohrenschützer, und so entging meinen Ohren auch nicht das Gequassel der Passanten, sowie ein höchst charmantes „You’re beautiful, Mama“, als ich an einem der vielen dunkel pigmentierten New Yorker vorbei eilte. So wünscht man sich das doch. Da wieder mal ne Verletzung angesagt war im trauten Heim – Baby mit Boxerauge – hab ich dann zu Hause noch ein Stündchen Kinder gehütet, um danach noch zu Starbucks zu steuern plus anschließendes „Hangover“ in der Finnenbude, wo wir alle schon am 25. und 26. abends gechillt haben. Da wurde das „Verließ“ schon fast heimisch.

(30. 12.09, New York City)

Gerade sagt die uhr am Gate C11 des LaGuardia Flughafens übrigens 5:18 am und in einer Dreiviertel Stunde soll unser Flugzeug Richtung Chicago abheben. Es ist dunkel draußen, sowie arschkalt und von hinten über meine Schulter gelangen tussige Amigespräche über Las Vegas. Gute Uhrzeit dafür. Der Lisa-Redhead mir gegenüber hat sich schon die Horizontale begeben, was wahrscheinlich die einzig richtige Idee ist, wenn man bedenkt, dass wir vorhin ca. zwei Stunden geschlafen haben und der Tag in Chicago „morgen“ schon gut ausgeplant ist. Nebenbei bemerkt gibt es wenig Besseres als Alltagsszenarien auf Flughäfen, besonders nachts. Schlafende, Schmatzende, Chillende, Quatschende oder Lesende. Herrlich. Manchmal würde ich alles geben für die Gabe, Gedanken lesen zu können. Oh, wir können ins Flugzeug.

Los, los, los!

„Be sure to jump into the slight with your legs in front of you“ sagte die hässlich grinsende Tussi auf dem Bildschirm im Flugzeug und ein paar Minuten später waren wir in der Luft, um einen unfassbaren Blick auf New York bei Dunkelheit zu werfen. Die Insel Manhattans und all ihre Lichter und Hochhäuserhaufen zusammengeschrumpft und auf einmal ganz klein. Das Airline-Radio düdelte mich coolerweise mit Keith Urban, Rob Thomas und (!) „Quit playing games with my heart“ von den Backstreet Boys in den Schlaf und zwei Stunden später erwachte ich in der Luft überm Michigansee im Landeanflug auf Chicago, das in der Morgendämmerung ebenfalls seine Hochhäuser gen Himmel ragte, sowie das Schachbrettmuster der Stadt durch ewig lange Avenues und Straßen erkennen ließ.

Unser Chicago-Trip begann mit einer Wahnsinnstoilette, die einen schlauchartigen Tütenüberzug auf der Brille hatte, welcher sich auf Knopfdruck erneuerte. Na wenn das ncihts ist. Überhaupt; wer eine tolle Begegnung mit einer öffentlichen Toilette haben möchte, sollte nach Chicago kommen. Hier gibt’s auch an jeder Ecke Papieraufleger für die Brille. Wahrscheinlich interessiert das kein Schwein, aber ich finde es lustig, Orte nach der Hygiene öffentlicher Waschräume zu bewerten. Daumen hoch für Chicago!

Im Hostel bewohnten wir ein 12-Bett-Zimmer. Das und auch Gemeinschaftsküche, sowie –Bad und Aufenthaltsräume ließen den Kontakt zu anderen Menschen unumgänglich. Jeden Tag trafen wir die Asia-Omi mit Lockenwicklern und komischen Schmatzgeräuschen am Tisch, sowie insgesamt eine unglaubliche Menge an Asiaten. Jeden Abend boten Lisa und ich uns außerdem ein ordentliches Tischtennis-Match, was im Verglich zu den chinesischen Pingpongs unserer Kollegen auf sportlich verdammt hohem Niveau ablief. Die Location des Essenraums war zudem noch ziemlich cool Da in Chicago die nach Farben geordneten „Subways“ ja überhalb der Straße sozusagen schweben, fuhr direkt vor der Fensterfassade alle paar Minuten eine Bahn entlang, was sich mal wieder ein wenig wie im Film anfühlte. Jedenfalls galt für uns auf dieser Reise die Devise „Viel Spaß für wenig Geld“. So steckten wir uns, wie Touris auf das Dach des John Hancockgebäudes zu steigen, sondern gingen einfach als Besucher ins Restaurant dort oben, mit dem Plan, einen viel zu teuren Tee zu trinken oder so. Während wir warteten, dass uns jemand einen Tisch zuweist, suchte ich das Badezimmer auf, und obwohl ich meine mädchenhafte Blase manchmal echt verfluche, war sie in diesem Falle Gold wert. Ein Waschraum im 96. Stock mit Fensterfronten von der Decke bis zum Boden, die den Blick auf das bei Dämmerung erleuchtete Chicago eröffneten. Da nehm ich doch das Klo anstatt 15 $ zu bezahlen! Noch besser waren die zwei Möchtegern-it-girls, die uns den schlausten Deal des Jahrhunderts anboten, ein paar hundert Meter überm Michigan See - „I’ll take a picture of you, if you take a picture of us!“. Mit einem Anflug von Mitleid fragten sie uns, woher wir Gestalten denn kämen. Ziemlich lustig verzog die Blonde dann ihr Gesicht, nachdem wir erklärten aus Deutschland zu kommen und in New York zu wohnen, und sie versicherte sich in absolutem Kaugummi-Blondchen-Englisch „You live in New York?!“ …auf Gegenfrage nach der Herkunft kam uns ein genuscheltes „Michigan“ entgegen. Nagut. Wir sehen vielleicht aus wie kleine hinterweltlerische Ausländer-Touri-mädchen, aber es ist ja nicht immer gleich alles, wonach es aussieht. Ebenso haben wir uns einfach ins Café des Planetariums gechillt mit atemberaubendem Blick auf den See und die Skyline, anstatt 30 $ für einen künstlichen Sternenhimmel auszugeben. Ein Touri-Quatsch musste aber drin sein. Der Sears-Tower, höchstes Gebäude Nordamerikas, mit seinen aus den Fassaden herausgehobenen Glasboxen, in denen man unter seinen Füßen (!) 110 Stockwerke tiefer die Straße sieht. Auf solchen Touren trifft man absolute Durchschnittsreisende bzw. relativ wohlhabende Familienausflügler. Anders geht’s aber natürlich in jeder Großstadt dieser Welt auch. In der Eiseskälte lag ein ziemlich ranziger Typ nicht weit vom Hosteleingang bei Tag und bei Nacht. Am vorletzten Tag war er dann auf einmal weg. Ganz unkriminell ist es auch nicht, selbst im Zentrum, dem „Loop“. Lisa und ich kommen nachmittags aus der Bibliothek und drei Meter weiter schmeißt ein schwarzer Jugendlicher eine Laptoptasche hinter sich hoch in die Lüfte, er geht an uns vorbei und ein junger Mann hebt mit starrem Blick dem Jugendlichen folgend die Tasche auf und hängt sie sich wieder um die Schulter. Da hat dieser kleine freche Ghettojunge den Typen von hinten angewiesen, ihm seine Tasche zu geben, weil er dachte, darin wäre ein hübscher teurer Computer – am helllichten Tag, zwischen hunderten anderen Fußgängern. Auf unserem Ausflug ins so genannte „Boystown“, dem Schwulen- und Alternativviertel, trafen wir dann die, die so was eigentlich verhindern sollten. Eine Polizeizentrale im „sichersten“ Stadtviertel Chicagos. Peinlich wie Bilderbuchtouristen haben wir ein Foto mit einem Polizeiauto gemacht. Dann klopfte es aus dem Gebäude von innen an die Scheibe und ein Officer wedelte mit Handschellen rum und deutete auf uns. Aaaah! Verhaftet wegen nem Foto?! Da wir die Polizisten-Zeichensprache nicht gerafft haben, kam der kugelige Typ raus zu uns und bot an, ein Foto von uns mit Handschellen zu machen, nachdem er uns auslachend meinte, dass es ihm doch scheißegal ist, was wir mit den Polizeikarren anstellen. Ach und – na klar – der gute Mann war mal für eine Weile in Stuttgart…

Der Start ins Jahr 2010 war ruhig, arschkalt und vor allem irgendwie lustig… mit Minifeuerwerk! (Deswegen sind wir ja nicht in New York geblieben – weil’s hier kein Feuerwerk gibt!) Zwei Mädels mit Teetassen am Ufer des Lake Michigan, die sich Herzchen aus Knallkörpern überm Navy Pier ansehen und das Jahr 2010 einläuten.

- Zwischenstory: Ich habe meinen Schreibfluss unterbrechen müssen, da das schon um eine Stunde verspätete Flugzeug zurück nach New York bereit war, Passagiere an Board zu lassen. Wir steigen ein, suchen Plätze, hinsetzen.. ganz normal eben. Das Flugzeug rollt los… bleibt wieder stehen. Pilot sagt an, dass weitere 45 Minuten Wartezeit anstehen. Da sitzen wir in einer kleinen Maschine, die nur vier Sitze pro Reihe hat, keine Bildschirme, keine Musik etc., Lisa schiebt eh schon leicht künstliche Panik, weil so ein Flieger recht ungewohnt ist und dann stecken wir in dem Ding fest, weil in New York schlechtes Wetter ist. Bombenabschluss! -

Apropos Abschluss. Den eigentlichen Höhepunkt unserer Reise hatten wir gestern. Einen aufgrund unserer Hostelbeherbergung reduzierten Eintritt zur Show der Blueman Group ließen wir uns auf keinsten entgehen und so saßen wir in der 6. Reihe direkt vor der Bühne und beeierten uns herrlichst bzw. waren nach der Show absolut „faszineistert“ (Regber’scher Neologismus). Jeder, der die Show schon gesehen hat, meinte danach „das muuuss man gesehen haben!“ und ich dachte „jo, ist halt ne Show – hat ja jede irgendwas für sich…“ und nun bin ich der gleichen Meinung – absolut! Fast zwei Stunden Überraschungseier auspacken… so ungefähr ist es, nur mit besserer Musik und unfassbar mehr Witz.

Abschließend kann ich nur sagen, dass das Einzige, was ich hier noch nicht erwähnt habe, die unnormal vielen bärtigen, sowie rothaarigen oder beides besitzenden jungen Männer waren, die sich wie ein „roter“ Faden durch unsere Story of Chicago gezogen haben. Unzählbar viele und zweifellos kultig!

Chicago eben…

„So sit back, relax and enjoy the flight!“

1 comment:

Olli said...

http://blueberrydiaries.blogspot.com