Tuesday, February 09, 2010

Bergfest / "Carolin, what does "pass out" mean?"

Wir schreiben den 25. Januar. Die Welt außerhalb des Autos verschwimmt vor der Windschutzscheibe und literweise Wasser strömt vor meinen Augen Richtung erde. Hin und wieder schaukelt eine Böe mich und die schlafende Alli hinter mir. Draußen sind frühlingshaft 56°F, was grob geschätzt so um die 15°C sein müssten. Das nenn ich doch mal Winter. Schon wieder ist fast ein Monat mehr um und die Halbzeit meines USA-Jahres naht. Was haben die letzten Wochen eigentlich so mit sich gebracht? Das unaufhaltsam wachsende „Baby“, das mittlerweile fast 1 ½ Jahre alt ist, spricht seine ersten Worte und als ich letztens gefragt wurde, ob es mir nicht schwer fallen würde, der Kleinen irgendwann „Auf Wiedersehen“ sagen zu müssen, wurde mir bewusst, wie wertvoll es ist diese Lebensphase eines so kleinen Menschen so intensiv miterleben zu können. Und ja, es ist schon eine komische Situation, wenn dieser kleine Fratz Mami zu mir sagt – vor seiner Mutter. Drum werde ich versuchen – auch wenn es kitschig klingen mag – jeden Moment mit dem kleinen Murkel schätzen zu wissen. Ein anderer Grund, warum sich mein Herz ab und zu schwerer anfühlt, ist, dass Lisa, das Mädchen aus Leipzig, welches über die letzen Monate meine engste Bezugsperson geworden ist, in ein paar Wochen die Heimreise antritt. Lisa E. wird des Weiteren unter Umständen irgendwo hin, möglicherweise ans andere Ende der USA ziehen, um mit einer neuen Gastfamilie eine Art Neustart zu versuchen. Aber so ist das als Au Pair; nichts ist von großer Dauer und geht schneller vorbei, als man glaubt. Leute kommen und gehen, erscheinen wie Lichtgestalten und nehmen für eine weile Teil an deinem Leben und irgendwann kommt der Moment, in dem man realisiert, dass auch diese Zeit ein Ende finden muss.

2. Februar / 6:29 pm

In dem Oldschool-Zugabteil, in dem ich durch die Gegend geschüttelt werde, steht noch fett „SMOKING“ und ich habe echt zu kämpfen, mir nicht gleich eine anzustecken nach dem anstrengenden Tag, obwohl ich draußen im zurückgekehrten Winter grad schon zwei hatte.^^ Auf der Klotür hängt ein „Lavatory“-Schild aus alten Zeiten und eben haben die Lichter auch schon gefährlich geflackert. In genau 15 Tagen feiere ich (ganz nebenbei bemerkt übrigens in Mexico) Bergfest – ein halbes Jahr in den Vereinigten Staaten von Amerika, sechs Monate weg von meinem Zuhause in Deutschland. Und immer noch stehen so viele Fragen offen und ich bin noch lange nicht an meinem Ziel angelangt. Gerade heute fragt mich meine dreijährige, was ohnmächtig bedeutet. Ich wusste keine für sie verständlich Antwort. Was werde ich tun, wenn ich zurück in Deutschland bin? Werde ich studieren oder weiter ziemlich ziellos meine Zukunft auf mich zurasen lassen? Wird sich viel im einst so trauten Heim verändert haben? Werde ich je in die USA zurückkehren? Und da es noch so ein langer Weg bis da hin ist – was hält die zweite Hälfte meines Jahres bereit? Wird es leichter oder schwerer? Beginne ich irgendwann rückwärts zu zählen und streiche die Tage im Kalender ab? Und überhaupt, dreht sich die Erde eigentlich schnell oder langsam?

Aber ein paar unnütze Dinge habe ich ja schon gelernt. In 9 von 10 Haushalten in den USA läuft der Fernseher, wenn man Vorbeigehen ins Wohnzimmerfenster schaut. Das Einzige, was hier zu schimmeln beginnt, ist Brot, was zwei Wochen im Schrank liegt. So rassistisch es klingen mag, aber Schwarze haben wirklich ein stärkeres und ganze anderes Temperament als wir. Und: sag einem Amerikaner niemals deine ehrliche, aus dem tiefsten Inneren kommende Meinung!

Die Stadt ist in Sichtweite. Ich bin dann mal weg.

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