
Dienstag, 15. September ’09, „
Am Sonntagmorgen trafen sich dann mehrere hundert Au Pairs in Manhattan, um eine Schnitzeljagd zu absolvieren. Pizza Hut Servietten, Starbucksbecher, Bahnfahrpläne, Einkaufstüten bestimmter Läden – all solchen Quatschen mussten wir zusammen sammeln und nebenbei noch viele Fragen über die Stadt und berühmte Filme beantworten - und das innerhalb von zwei Stunden. Gut tot sind wir danach zu dritt, nachdem jeder aus unserer Gruppe einen $5-Starbucksgutschein gewonnen hatte, zum Bryant Park hinter der großen Bibliothek (die man aus Filmen wie „The Day After Tomorrow“ kennt) geschlurft, der uns neben einem Karussell in Mitten vieler kleiner Tische ein interessantes Ambiente bot, das Drumherum zu beobachten. Es sei zu erwähnen, dass in diesem Park das Zelt aufgebaut war, in dem Modenschauen der Fashion Week stattfinden. Dementsprechend liefen bohnenstangige Models, komische Stylerphotographen und wichtige Securities mit Kleiderständern auf Rollen in der Gegend herum. Ein ähnliches Gewusel wie am Times Square, wo wegen der MTV VMAs Teile der Straße gesperrt wurden für Außenbühnen und Kreischifans am roten Teppich und so. Anstatt Lady Gaga und Co. aus Limousinen steigen zu sehen, chillten wir lieber im schattigen Park. Lisa stiefelte mit meiner Kamera durch die Gegend und schoss begeistert über 100 Fotos, ich schrieb Postkarten und so genossen wir die Ruhe unserer eigenen kleinen Seifenblase, in der wir uns zwischen dem hastigen Gewirr der Großstadt, erschöpft und zufrieden eingefunden hatten.
23:05 hier, fünf Uhr morgens zu Hause
Meine Augen brennen. Der Tag war lang. Die Leipziger Lisa, die mich ein wenig beruhigt und belustigt hat nach fragwürdigen Ereignissen mit meiner Gastfamilie, ist gerade aus der Tür. Es ging noch gut zur Sache nach der ruhigen „Mittagspause“. Der schönste Moment war, als ich die beiden schnarchenden Mädchen auf meinem Arm in ihre Betten getragen habe, damit sie zwei Stunden dieses sonnigen Tages im Traumland verbringen konnten. Klingt doch schön. Das können sie, die Amis. Etwas schön verpacken, sodass es keiner rafft.
Morgen soll es Regen geben.
***
Nach einem langen Tag…
Ein bittersüßer Moment
Laternenlicht
Ein leeres Basketballfeld
Der Nachtzug in die Stadt rattert vorbei
Die Schaukel schwingt mich
Zigarettenqualm
Die wehende Flagge am Pfahl über mir
Eine Schramme im Blech
Ein Loch in meinem Kopf
Die Dunkelheit macht müde
***
17.09.09, 19:50, auf meinem Sofa
Gestern hatte ich den ersten Autounfall meines Lebens. Ich hatte schon Feierabend und wollte vom Playdate nach Hause düsen. Rückwärts aus der Auffahrt fahrend, am Diskutieren mit den Kindern, gestresst und durch nach dem langen Tag und mit dem Verlangen, schnell nach Hause zu kommen, bin ich also gegen ein auf der Straße geparktes Auto gefahren. Meine Nerven waren so schon nicht mehr die besten und so hab ich nicht meine volle Aufmerksamkeit dem Ausparken gewidmet. Bin dann halt schnell zur Haustür des Autobesitzers gerannt, beim Klingeln schossen mir schon die Tränen in die Augen. Gastvater angerufen. Kinder zurück zu Manu ins Haus geschickt, von denen Charlotte mit großen Augen, wie dreijährige so was eben machen „Why are you so sad?“ fragt. (Die haben gar nicht mitgeschnitten, dass es gerummst hat.) Als mein Gastvater dann kam, hat er irgendwas mit dem anderen Typen bequatscht, wie sie das nun klären und so. Derweil hab ich auf heißen Kohlen drinnen gesessen und meine 1000 Gedanken standen kopfüber und ich war wie unter Wasser. Ich hab’s für’n Scherz gehalten, als er meinte, ich könne die Kinder nach Hause fahren mit dem Van. Wahrscheinlich extrem unverständlich hab ich ihm dann unter Schluchzen klar gemacht, dass ich will, dass die Kinder sicher nach Hause kommen… Ich hab innerlich gebebt, weil alles durcheinander war. Für einen Außenstehenden klingt das vielleicht übertrieben oder unverständlich, aber in dem Moment kam einfach alles hoch – der ganze Stress der letzten Wochen. Ich habe noch nie einen Unfall gebaut, und dieser war nun ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich nicht ganz bei der Sache bin und vielleicht mal wieder zu viel auf einmal von mir verlangt habe.
Ich bin seit drei Wochen in der Familie, arbeite jeden Tag 10 Stunden, gehe abends noch mit Freunden aus, da ich einfach am Tag auch was anderes sehen muss als nur dieses Haus und die Kinder, schlafe wenig, habe schwierige Gespräche mit den Gasteltern, da drei Kleinkinder kennen zu lernen und zu koordinieren, viel Zeit und Reden braucht, nehme mir alles gleich zu Herzen und außerdem sprechen sie immer noch eine andere Sprache, verbring meine freie Zeit viel am Computer und berichte nach Hause, bin die Wochenenden meist unterwegs, unausgeschlafen, weil ich was vom Tag haben will, lass meinen Kopf nie richtig ruhen. Wenn ich ins Bett gehe, lieg ich eine Stunde lang wach, weil ich über die Planung des nächsten Tages nachdenke, oder wie ich am besten bei meinen Gasteltern ansprechen könnte, was mit den Kinder schwierig ist, was ich mir von ihnen wünschen würde, warum ich mich einfach (noch) nicht, wie ein Familienmitglied fühle, wie ich mir Collegekurse organisiere, wo ich hinreisen will, was ich sehen will. Alles kreuz und quer.
Das alles und die ganzen Zweifel, ob das hier auch richtig so ist, ob mein Leben momentan typisch und normal ist für das eines Au Pairs und ob das Unwohlsein nur eine Frage der Zeit ist oder ne Phase oder was weiß ich… und natürlich ein bisschen Heimweh – das kam hoch, ausgelöst dadurch, dass das Blech des Familienautos eine Beule in dem des anderen fabriziert hatte.
Als ich nach Hause kam, hab ich erstmal ne Stunde mit Muddi telefoniert. Musste sein. Und als es dann schon dunkel war, hab ich meine Kopfhörer aufgesetzt, die Musik aufgedreht, bin den Hügel runter gelaufen, zum Spielplatz, im Regen, hab eine beruhigende Zigarette geraucht und einfach versucht, durchzuatmen.
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