Tuesday, May 18, 2010

„Pornöse” Skyline / Bierboot / Highway to Hell

03. Mai 2010, 22:10 Uhr

Es ist nach zehn, der Tennisplatz der Highschool wird von Flutlichtern bestrahlt, die Bälle floppen über den Platz und ich seh dem Schauspiel von der Seite aus zu. Das benachbarte Footballfeld liegt unter schwerem Nebel der Nacht und der Atem unserer ambitionierten Tennisspieler, Jacky und Pawel, verbindet sich mit der feuchten Nachtluft, in der das Wasser in Millionen von Minitröpfchen steht und jeder Hall sofort verebbt. Mein Zigarettenqualm steht nahezu regungslos in der Dunkelheit und hüllt mich in Zeitlupengeschwindigkeit komplett ein. Hinter den Bäumen lassen sich die Silhouetten von Basketballkörben im dämmrigen Laternenlicht erahnen und auf der Tartanbahn hinter mir läuft hin und wieder absolut geräuschlos ein Mensch durch die dunstigen Lichtkegel der Laternen. Welch ein Montagabend. Langsam kühlt alles ab und wir erhaschten zur späten Stunde die einzig erträgliche Zeit um draußen zu sein Anfang Mai.

Ein Wochenende wie man es sich wünscht, liegt hinter mir. Samstag zog es mich und Lisa nach Brooklyn Green Point und Williamsburg, welches in meinen Augen eine perfektionierte Fortführung des Manhattaner Villages darstellt. Secondhandläden, bunthaarige Menschen mit komischen Sonnenbrillen auf den Nasen, mit Straßenplakaten und Graffitis verhangene Hauswände. Mein Favorit an diesem Tag: ein Laden namens „The Thing“, welcher die größte ungeordnete Plattensammlung der Welt beherbergt. Ohne Witz, ein Keller mit vollgestopften Plattenkisten, vom Boden bis zur Decke. Ziemlich cool auch die Peter Pan Bakery, obwohl das wohl nur am Namen liegt und ein Laden für Markenliebhaber von Vans, Volcom und so mit Indoor-Halfpipe. Lisa ging wohl der Secondhandladen sehr ans Herz, der ein Top mit regenbogenfarbenem Leomuster für sie ausspuckte. Zerschmelzen war allerdings angesagt, spätestens als sich uns der Blick auf die Skyline Manhattans vom East River State Park aus eröffnete. Am späten Abend trieb es mich und drei andere Mädels dann mit dem Auto noch einmal ins Herz von New York an die Lower East Side. Der Weg über den West Side Highway war wie immer ein Spektakel zur Nachtzeit, mit Spiegelungen der Lichter im Hudson River und dem Blick auf die tausend Glühbirnen an den Bögen der George Washington Bridge. Unser Ziel war ein Studentenapartment von zukünftigen norwegischen Ingenieuren, welche sich ziemlich gechillt auf ihrer Dachterrasse aufhielten und Bier tranken. Dies war nicht das eigentlich Sehenswerte, sondern über die Rehling hinaus das in den Nachthimmel hinaus strahlende Manhattan mit all seinen Hochhäusern und Wolkenkratzern und wie immer ragte das markante Empire State Building aus seiner Mitte empor. Das wohl perfekteste Bild, das sich mir jemals auf diese Stadt erschlossen hat. New York City, in der lauen Sommernacht des 1. Mai 2010. Aber New York City wäre nicht New York City, wenn sich nicht wieder irgendein abgedrehter Mist einreihen würde. Wenn man sich über das Balkongeländer beugte, lief auf der anderen Straßenseite ein aus steinalten Zeiten überlieferter Pornofilm, projiziert an die Hauswand gegenüber einer großen Dachterrasse mit Liegen und Palmen, ein paar Stockwerke weiter unterhalb. Da haben 90 % der sehr reservierten Europäer auf „unserer“ Dachterrasse schon eigenartig amüsiert gestaunt.

***

Pouring rain ends up

running down the windows

2 A.M.

On the highway to New York

You’re dreaming in a deep sleep

Souls rest from the troubles of young lives

I breathe the melody of the radio

trying to swallow the fear

I do not know what’s going to happen

I can not see behind that hill

Only brightened up horizon sky

by shimmering lights unclear

Cars are rushing

There’s a thought of the times

When I used to stand outside

Night after night

Asking what life might bring

Where I would be

Now I’m here though,

New York in sight

You’re still too far,

but not yet away

Feels as if somehow

I am not with me

***

17. Mai 2010

Neun Monate in den Staaten. Genug Zeit, um ein Kind zu bekommen. Hätte ich mich zum Wehrdienst gemeldet, wäre ich heute auf dem Heimweg. So lange zieht sich auch in etwa eine Verfassungsänderung in Thailand dahin. Außerdem ist es die maximale Dauer eines 1€-Jobs.

Freitag. Chillen bei Mellie in Hastings. Mal wieder ein neues Haus erkunden. Plus Bier. Herrlich.

Samstag. Auspennen, ganz brutal bis um elf.^^ Kein Internet. Abends zum Disco Boat Cruise um Manhattan. Au Pair Treffen. Plus Bier. Noch herrlicher. Beschreibung folgt.

Lisa und ich strahlen also mehr oder weniger aufgebrezelt gegen halb fünf Richtung Stadt, denn der Partydampfer, beladen mit hunderten feierwütigen Au Pairs sollte zwei Stunden später vom Pier 83 am Hudson River ablegen. Gesagt getan, zwei mal so viele Stöckelschuhabsätze haben dann also wirklich das Boot unsicher gemacht, welches mit eigenem DJ der Menge einheizte und bei PERFEKTEM Abendlicht um Manhattan herum fahrend eine sagenhafte Party für uns steigen ließ. Vorm Einsteigen wunderten sich einige von uns, warum die Passkontrolleurin eigentlich jedem Deppen so ein hübsches lila Volljährig-Bändchen umhängte. Schon das Bier in der Hand erschien es dann sonnenklar, wo kommt da schon ein Polizist vorbei, so mitten aufm Fluss? Eine laue Seebrise wehte uns die Haare gegenseitig in den Lipgloss und je höher der Schuhabsatz, desto spannender die Balance beim Seegang. Auch wenn ich nicht verleugnen kann, dass diese Sause sehr feuchtfröhlich verlief, muss ich nüchtern betrachtet sagen, dass sich uns wunderschöne Szenarien eröffneten. Die untergehende Sonne hinter der Freiheitsstatue, dessen Licht sich in Fensterfassaden von New Jerseys Hochhäusern glitzernd spiegelte, sowie wärmste Farbmischungen auf dem Hudson River ergab, die Manhattan Bridge unterm Sternenhimmel, ein knallrotes Pepsi Cola Neonlogo in Brooklyn, so groß wie eine Hauswand direkt vor unserer Nase und die Wolkenkratzer von Manhattan, eingerahmt von den mit Lichtpunkten besetzten Brückensilhouetten. Ich glaube jeder auf diesem Schiff, egal wie breit beziehungsweise partylaunig er schon gewesen ist; um diese Eindrücke zu realisieren und festzuhalten, und das nicht nur in Form von einem schnellen Biltzlicht, dafür nimmt man sich dann doch mal ne Minute, will ich meinen.

Sonntag. Nach fünf Stunden Schlaf gegen viertel acht schnell ein Sandwich gemacht und einen Pancake auf die Hand, noch meiner Gastfamilie n schönes Frühstück gewünscht und Lisa und ich schossen los, Gizem und Fritte abholen mit anschließendem Treffen zum Morgenkaffee bzw. –kakao beim Starbucks, um als Karawane auf dem Highway dann Richtung Süden zu steuern. Der zwei Stunden entfernte Vergnügungspark SixFlags in New Jersey war unser Ziel. Neun Leute, die von morgens bis abends von einer Achterbahn zum nächsten Nervenkitzel treiben. Ich sage nur in 3,6 Sekunden auf 200 km/h beschleunigen plus senkrecht 45 Stockwerke aufwärts schießen. Tschüssi denn! Aber Rekorde hin oder her, ich könnt mich hundert mal in ne Achtbahn setzen, bei der eigentlich nur die Hüfte festgeschnallt wird und der Rest des Körpers in Schwerelosigkeit tun und lassen kann, was er will. Drum sind wir alle zusammen zur letzten Fahrt ins Nitro und haben von der Abendsonne begleitet den Moment der Freiheit und diese unbeschreibliche Leichtigkeit genossen. Da vergisst man auch mal kurz die eigentliche Geldmacherei, die mit solchen Parks betrieben wird. Augen zu, Arme hoch, Kopf aus. Und die Adrenalinschübe nahmen auch nach Parkschließung kein Ende. Halb neun Abfahrt, nachts um zwei Ankunft. Da haben wir mal wieder die unglaublichen Massen unterschätzt, die sich zu Nachtstunden nach New York reinquetschen. Noch 24 Stunden später hab ich Knie-Aua vom Pedalwechsel im Stau vor der George Washington Bridge. Aber Lisas Kiste hat’s gerockt, der gute Ford Escape.^^ Nix mit Reißaus. Seit gestern sind auch Navigationssysteme auf meiner Sympathieliste stark gesunken. Nach dem Desaster von Autofahrt hat dann heute Morgen meine Gastmutter ganz nebenbei erwähnt, dass der Lincoln Tunnel doch eine gute Auswegmöglichkeit gewesen wäre. Vielleicht verlernt man in den USA tatsächlich, auch mal unterhalb der Oberfläche nach Lösungen zu suchen. Nach dem bisschen Nachtschlaf hab ich mich dann mittags doch mal entschieden, ne Stunde die Augen zu zumachen. Als ich aufgewacht bin, hab ich mich, als auch wirklich den letzten Beweis dafür, dass heute alle unsere Gehirne auf halb zwölf hängen, panisch gefragt, wer ich bin und was ich hier eigentlich mache…

1 comment:

Anonymous said...

so ich habe den perfekten lebensplan für dich aufgestellt:

1. ziehe in eine große stadt
2. suche dir drei beste freunde mit den namen
sabrina
miriam
charlene
und 3. schreibe einfach dein restliches leben lang eine kolumne über dich und deine erfahrungen

ja?!

bitte!

und ich verbiete mir die aussage das wir nur "mehr oder weniger aufgebrezelt " waren...dem stimme ich definitiv nicht zu!

diverse alternativen...holland tunnel, lincoln tunnel, tappan zee bridge...nur damit wir das nächste mal bescheid wissen

lisa eß.!