Saturday, December 26, 2009

Zwiebelzeitung und Schokitorte

19.12.09, 17:25 Uhr

Ich warte darauf, dass der Zug losrollt. Mir gegenüber hat sich ein alleinreisender männlicher Tourist in den 50ern niedergelassen. Er trinkt Bier aus der Dose (komischerweise ist Alkoholkonsum in der Bahn erlaubt, da das wohl nicht als öffentlicher Ort gilt), liest „The Onion“ und hat sein Bahnticket in einem Brustbeutel um den Hals zu baumeln. Völlig nichts sagend gekleidet trägt der Mann einen Ring am Finger, mit einem blauen runden Stein besetzt. Leider riecht dieser Mensch so penetrant, dass es mir augenblicklich vergangen ist, mein Schoko-Mousse-Tortenstück zu genießen.

Was habe ich so getrieben die letzten Stunden? Der Tag begann mit einem ziemlichen Desaster als ich am Frühstückstisch saß. Gerade schob ich mir eine Gabel mit Nutellaüberzogenem Pfannkuchen in den Mund, als ich einen Kinderschrei aus dem Keller vernahm. Mein fünfjähriger Gastsohn hat sich aus Lust und Laune überlegt, den Highspeed-Knopf von Papas Laufband zu drücken. Ergebnis war ein blutig aufgeschrammter Rücken halsabwärts. Guten Morgen!

Der Weg in die Stadt anschließend war kalt, ebenso wie die Entdeckungsreise auf Ellis Island. Der Wind auf der Fähre blies eisig und pünktlich nach Ankunft auf der Insel begann das vorhergesagte Schneegestöber. Dieses Stück Land vor der Küste New Yorks hat vor vielen Jahren Einwanderer beherbergt, die verschiedene Tests bzw. Auswahlverfahren durchlaufen mussten, um eine Erlaubnis zu erhalten, bleiben zu dürfen, unter anderem ein Jacob Koop, wie ich auf der Wand mit hunderttausend anderen Namen umzingelt von Millionen Schneeflocken herauslas. Möglicherweise ein Vorfahr der Familie meiner Mutter. Ja, ich hätte auch den Namen Carolin Koop tragen können. =)

Auf der Rückfahrt haben Lisa und ich mal wieder Reisepläne für nächsten Sommer zusammen gesponnen – wie absurd, denn es sind schließlich noch ca. acht Monate bis dahin und der Winter bricht derzeit gerade erst ein.

Zurück auf der Insel Manhattans trugen unsere Füße uns dann zu einer Pizzeria, nachdem wir auf dem Weg dahin noch den Stier betrachteten, dessen Gemächt man doch reiben solle, um auf ein erfolgreiches Geschäftsleben hoffen zu können. Wer sich so ein Zeug schon wieder ausgedacht hat? Später sahen wir uns noch die Trinity Church, das einst höchste Gebäude der Stadt an, sowie die Wall Street, die ihren Namen erhielt, da zu Zeiten, in denen New York noch New Amsterdam hieß, dort eine Schutzmauer zu Verteidigungszwecken errichtet worden war. Zum guten Schluss führte unser Weg uns noch zur St. Pauls Chapel, direkt neben dem Ground Zero, in der unzählige Briefe, Fotos und Erinnerungen an das Attentat vom 11. September ausgestellt waren. Mir kam dieser Ort wie ein Ort des Todes vor und ganz ungewollt hatte ich einen Kloß im Hals, als ich vor einem Bildschirm stand, der eine Doku zeigte, Menschen, die ihr Mitgefühl und ihre Anteilnahme aussprachen. Diese Kapelle blieb wie durch ein Wunder unbeschädigt und nach den Geschehnissen kamen Menschen hier her zum Beten und um die Erlebnisse verarbeiten zu können.

Wusstet ihr, dass die entführten Flugzeuge Inlandsflüge waren? Und ist es nicht eigenartig, dass 9/11 die Nummer für Notrufe in den USA ist? Ground Zero nennt man übrigens einen Ort, an dem Bombenanschläge passiert sind.

Mein Gegenüber verlässt den Zug. Und mich verlässt mein Mitteilungsdrang.

Zeit für die Torte.

Thursday, December 17, 2009

Kobold-Caro

Donnerstag, 03.12.09, 18:27

Heute geht das dritte Türchen auf…

Ich bin im Zug auf meinem Weg in die Stadt, um zusammen mit Lisa Hannah zu überraschen, die heute von der Au Pair Schule aus ihre Tour durch New York City absolviert.

Das Mädchen neben mir hat verzweifelt ihren Kopf in den Schoß gelegt. Ich glaube, sie hatte kein Bahnticket und muss jetzt ne dicke Strafe zahlen. Ich hab bis jetzt noch nicht herausgefunden, was einem so blüht in dem Fall. Vielleicht sollte ich sie einfach fragen…^^ Jedenfalls habe ich noch keine Bahnfahrt ohne Ticketkontrolle hinter mich gebracht. Sehr strickt alles. Nebenbei mümmel ich die so ziemlich geilsten Kekse der Welt. „Chips Ahoi!“. Amerikanische Schoki pur schmeckt zum Magenumdrehen. Die Kekse hingegen sind unfassbar gut. Komische Amis. Haben ja nicht mal Naturquark im Supermarktregal.

Playerupdate: „Just a phase“ (Incubus) …das sag ich mir immer, wenn der dreijährige Teufel mir mit seinem Dreizack in die Nervenstränge sticht.

Ich fahre gerade in den 15-Minuten-Tunnel zum Grand Central ein und bin schon sehr gespannt auf Hannahs Gesicht (unbemerkt davon, dass ich es eh schon seit mehr als drei Monaten nicht mehr gesehen habe), denn ich erinnere mich nur zu gut an mich, als ich mit der Nase an der Busscheibe geklebt hab, als die Skyline Manhattans in der Ferne erschien und uns der Highway über den größten Friedhof trug, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Das Sinnbild für diese von Menschen überladene Stadt. Tausende, Millionen Steine, von welchen jeder von weit weg dem anderen gleicht.

21:23 Uhr

Zweiter Trip diese Woche ist vorbei. Lisas perfekter Plan, Hannah in die Arme zu laufen ging voll auf. Mitten auf dem Times Square fielen sich drei Mädchen wie 13-jährige kreischend um den Hals. Ja, man kann es sich genausooo vorstellen. 80% der Menschen würden es wohl als „peinlich“ bezeichnen. Ich fands kuhl. =)

In der kurzen Zeit, die wir hatten, haben wir so viel gelacht wie nur möglich und komischer- und glücklicherweise hat es sich angefühlt, als wäre es gestern gewesen und nicht vor 3 Monaten, als wir das letzte Mal so zusammen waren.

Wie Mutti es mir immer beigebracht hatte, haben wir dann Hannahs Bus mit Taschentüchern hinterher gewunken, der für Hannah den Weg für morgen früh ins ferne Washington D.C. frei machen sollte.

Wann wir uns wieder sehen stand in den Sternen und Lisa und ich legten vor der Bibliothek noch mal die Füße hoch und beobachteten bei einer guten, zufriedenen Zigarette das feierabendliche Getümmel von New York City.

Bevor mein Zug losrollte, setzte sich ein Paar Mitte 40 neben mich. Die schnatterfreudige Dame meinte „You look so cute! Like an Irish Lepracaun. …with your green bag, the green headphones, your hat and the green eyeshadow. It’s so cute!!!” Sie hat mir dann erklärt, dass das ein irisches Sagenvieh ist, das Glück bringt und am Ende des Regenbogens hockt. Ich hab es dann natürlich mal gegooglet – Bild siehe oben.

Wissta bescheid! Ich bin dann ab jetzt ein kleiner, hässlicher, grüner Kobold-Zwerg…