Monday, November 30, 2009

1:24 Uhr, New York, 39°, die Frisur hält mal gar nicht

Diese Momente, in denen die Geräusche der sonst so befahrenen Straße für ca. 10 Sekunden versiegen, weil kein Auto auf der Straße ist, diese Momente, in denen ich auf der Bank sitze, an einer menschenleeren Wiese und der Sprühregen die Luft erfüllt und einige Enten, woher auch immer sie kommen, auf der Wiese den einen oder anderen Wurm im feuchten Boden suchen, diese Momente sind für mich unbezahlbar, weil sie eben in dieser einen halben in Mitten von 100 anderen Stunden geschehen.

Der Tag vor Thanksgiving hat irgendetwas Magisches an sich. Ein bisschen wie Weihnachten. Alle wünschen sich frohe Feiertage und schenken sich ein Lächeln, was vor Erlösung nur so strahlt. Gerade sind wir im Familienpack auf dem Weg nach Baltimore, das zweite Mal in meinen drei Monaten hier. Dicke Feier angesagt morgen, mit allen Tanten und Onkels, Cousinen und Cousins. Und am wichtigsten: der fette Truthahn. „Do you have a bird with you?“ fragte mein Gastpapi gerade dementsprechend einen seiner 20 Brüder am Telefon. Gleich danach kam die Frage nach genug Bier im Kofferraum. …oke.

Gerade telefonieren beide mit ihren Handies und erzählen den Personen am anderen Ende die Attraktion des Tages. Allison ist aus dem Schlaf erwacht, ging kurz zu einem Lied in ihrem Kindersitz ab und ist direkt wieder eingepennt. Oho! Vor zwei Tagen wurde ich übrigens auf dem Spielplatz von einer ziemlich jung gebliebenen Frau um die, grob geschätzt, 50 mit hexenähnlichen durchdringend und strahlend grünen Augen (die, wie sich heraus stellte, nur so durch Kontaktlinsen aussahen.. alles Schmu.) gefragt, ob mein Kind nicht ziemlich „delicious“ sein müsste. Delicious? Bezeichnet man so nicht sonst Essen?

Aber um hier mal zum Eigentlichen zu kommen…

Als Highlight meiner ersten drei Monate in den USA, hat es mich also letzten Montag nieder gestreckt. Dienstagabend bin ich nach einem schon eingeschränkten Arbeitstag zum Arzt gewackelt. Dr. Yung, ein dicker, runder, lustiger Mann aus dem fernen Asien. Auch er hatte mal wieder irgendeine Beziehung zu Deutschland. Er hat die Sprache fünf Jahre in der Schule gelernt. Und Überraschung – nichts ist hängen geblieben. Jedenfalls zog er sich, während ich meine Symptome wie Fieber, Halsschmerzen, Kopf- und Muskelschmerzen beschrieb, einen Mundschutz über. Absolut verständlich, aber kommste dir trotzdem wie der Tod auf zwei Beinen vor. Letztendlich gab er mir zwei Verschreibungen in die Hand. Schon fast am Aufstehen frag ich ihn, wie teuer die so würden. Er: „Och… pfff… hm.. so um die hundert jedes könnt’s wohl werden.“ Ich schlage die Hände vors Gesicht vor Schreck und spiel ein bisschen Theater und brabble vor mich hin, dass ich nicht weiß, wovon ich das bezahlen soll. Asia-Doc zieht die Augenbrauen hoch, dreht sich um und kramt aus seinem Vorratsschränkchen eine Tüte voller Beispiel- und Einzelantibiotika hervor. So kann’s gehen. Und trotzdem hab ich für den restlichen Quatsch, der übrigens ganze 10 Kapseln beinhaltete, $104,99 bezahlt. Die Nacht, in der ich die Medikamente startete, konnte ich so überhaupt nicht pennen und die Thermometeranzeige piepste mir um 1:24 Uhr um die 39°C entgegen. Stimmt das überhaupt? Eigentlich stand da ja 102,4 in Fahrenheit.^^ Zumindest war die Assiwoche mal was Anderes, trotzdem ich mich nie zuvor so unmenschlich gefühlt habe.

…ein Blick zurück

2.11.2009

Da saß ich nach Feierabend auf der Parkbank, es war kalt und Philipp Poisel fragte mich, wie eigentlich mein Himmel so aussieht. Ich legte den Kopf in den Nacken, über mir hingen die bereits kahlen Äste eines Baumes. Eine Papiertüte hatte sich in ihnen verfangen und dahinter standen rötliche Wolken, von den Stadtlichtern erleuchtet unter dem schwarzen Abendhimmel, der außerdem noch einen Vollmond trug. Und als mir so die kalte Herbstluft um die Nase wehte und ich die Blätter um mich rascheln hörte, wurde mir mal wieder bewusst, wie die Zeit vergeht, wie alles vergänglich und schneller vorbei ist als man glaubt. Wo ist nur der Sommer hin? Gestern saßen wir doch noch im Flugzeug und stiegen in die Sommerdemse hinaus nach der Landung am JFK-Flughafen. Wo ist der Sommer nur so schnell hin?

Hallo Wien…

…kommt dabei raus, wenn man einen der wohl wichtigsten Tage im Jahr, der den Amerikanern Anlass zum Feiern gibt, in einem schön ekligen deutschen Akzent ausspricht. Da muss ich gleich an die wunderbaren Fleischleiberl denken, die der Ösi-Gerhard uns letzte Woche gezaubert hat. Hmmmm….!!! Aber nun zum eigentlichen: Halloween! 31. Oktober, das noch auf nen Samstag und die US-Amis flippen aus. Die 6. Avenue in Manhattan, Schauplatz der Parade, zu der Leute aus aller Welt in abgedrehten Kostümen kommen und auf Wagen oder zu Fuß ne Riesenparty veranstalten. Das hatte irgendwie was von Loveparade.

Ein bisschen blau sind wir dann zum guten Schluss noch mit rauf auf die Straße und sind die letzten Blocks mitgegangen… um dann (was viel kuhler war) auf der 5. Avenue zwischen feststeckenden Autos und verzweifelten Polizisten einen eigenen Marsch zu veranstalten. Martini rausgeholt, über 20 Blocks Richtung Washington Square Park. Dieser Platz hat wohl irgendwas Anziehendes an sich.

Samstag, Nov 7, Brooklyn …da merkt man, dass die Leute da so ziemlich nur wohnen, sagte Lisa. Und trotzdem gab’s Himmel und Menschen. Unter anderem ne schwarze Braut in nem weißen Kleid + Hochzeitsgefolge. Im Kunstmuseum gab es dann für umme noch ne Musikveranstaltung mit hippen neuen Indie-Bands.

Sonntag dann bisschen planlos in Midtown herum geirrt, denn mein vorgesehener Plan ging nur teilweise auf. Ich glaube, ich eigne mich nicht so als Tourführer…^^ Naja, der Tagesabschluss war dafür für mein Verständnis perfekt. Am Seil hängend in einer Gondel flogen wir über die erleuchtete Stadt im Abendhimmel nach Roosevelt Island, eine Mini-Insel direkt auf der östlichen Seite Manhattans, die früher Irren und Kranken, heute mehr oder weniger normalen New Yorkern ein Zuhause gibt. Innerhalb von einer halben Stunde hat man das Teil einmal umrundet und begegnet vielleicht drei Autos. Ein paar Angler standen an der Promenade, an der Lisa und ich uns niederließen, um das Getümmel und den Lärm nur noch aus der Ferne wahrzunehmen und vorrangig die Lichter und den friedlichen Teil der Stadt zu betrachten. Ein Novembertag um die 20°C ging vorbei.

Aber der nächste, Montag, hielt erst den eigentlichen Knaller bereit. Handy klingelt, Anja, „Hey Caro, willst mit zum Spiel der Knicks im Madison Square Garden? …wir nehmen die Bahn kurz nach 6!“ So düsten Anja und ich also als Zelebrierung des Wochenbeginns mit dem Zug in die City, wurschtelten uns anschließend durch den Subwaydschungel, hindurch zwischen vielen gestressten eiligen Feierabend New Yorkern und kamen letztendlich auf ziemlich bonzigen Plätzen in der Arena zum Sitzen. Wider Erwarten hielt das Spiel im letzten Viertel tatsächlich Spannung bereit, was neben den Bespaßungsmethoden der Amis fürs Publikum während der Pausen echt Laune gemacht hat, aber letztendlich haben die Knicks ihre Serie von verlorenen Spielen fortgesetzt. Scheißegal: NBA für umme – wer wird sich da beklagen?! Ich nicht.